Sandrine Chauvy (Photo: zvg)
Sandrine Chauvy (Photo: zvg)

„Das ganz besondere Gefühl von Freiheit“

Die begeisterte Trailläuferin Sandrine Chauvy, 45, aus Fleurier im Neuenburger Jura, ist sehr stark sehbehindert und hat deshalb eine ganz besondere Beziehung zum Laufen. In der Running-Story erzählt Sandrine von ihren Herausforderungen und dem Wunsch nach Guides, welche sie bei ihrem Hobby begleiten.

Sandrine Chauvy, was bedeutet dir das Laufen?
Sandrine Chauvy: Etwas was auch Sehende sagen: Freiheit. Bei mir als blinde Person, dürfte dies mehr überraschen. Laufen und Wettkämpfe ermöglicht mir ein besonderes Gefühl von Freiheit. Ich bin in der Natur, spüre Wärme, Kälte, Regen, Schnee, Sonnenstrahlen. Ich werde von Düften begleitet, rieche den Wald. Und höre Töne, zum Beispiel Kuhglocken. Beim Rennen kann ich mich lebendig fühlen.

Siehst du gar nichts?
Mit dem rechten Auge nichts, nur schwarz. Links erkenne ich Schatten, Formen, Silhouetten.

Das ist ein anspruchsvolles Laufen.
Richtig. Das erfordert Konzentration. Ich muss bei mir sein. Schliesslich heisst es nichts weniger als mit den Füssen den Untergrund zu lesen und zu spüren. Ich nehme viel wahr um mich herum. Ich verbinde mit dem Laufen Neuentdeckungen. Im Alltag bin ich mit vielem vertraut. Rennen aber bedeutet Unsicherheit.

Du bist angewiesen auf einen Guide.
Zwingend, ja. Da braucht es gegenseitiges Vertrauen. Passt das, gewinne ich eine enorme Kraft, Freude, Energie. Aber es ist schon so: Mut brauchen wir beide, der Guide wie ich.

Wie hast du deinen Guide gefunden?
Ich begann mit meinem besten Freud ein bis zwei Mal die Woche. Und wir steigerten uns, begannen mit Trail Running. Da bin ich auf den Geschmack gekommen und in ein Dilemma geraten.

Bist du sehbehindert oder blind? Möchtest du dich draussen bewegen?

Blind-Jogging stellt dir einen Begleiter fürs Jogging zur Verfügung. Ob Anfänger oder fortgeschritten, alle sind bei willkommen. In Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich.

Melde dich bitte für ein erstes Gespräch
telefonisch: 061 228 73 77, oder per
E-Mail: info@blind-jogging.ch.

Wie das?
Der Freund ist leistungsstärker als ich. Er kann und will auch grosse Trail-Wettkämpfe bestreiten. Ich beschränke mich vorläufig auf kleine. Das divergiert auseinander. Ich wünsche mir Alternativen und auch andere Begleitpersonen. Es darf keine Abhängigkeit entstehen, weder von der einen noch von der anderen Person. Ich möchte den Trail- und Bergläufen treu bleiben. Und dem Triathlon. Flach- und Stadtläufe sind nicht so meins.

Wie ambitioniert läufst du?
Bei mir zählt nur die Freude. Meine Blindheit ist die Folge einer Krankheit in der Kindheit. Diese griff auch die Lungen an. Mein Leistungsvermögen ist deshalb limitiert. Der Fachbegriff heisst Lyell-Syndrom. Mein Motto lautet: Der Weg ist das Ziel. Grosse Leistungssprünge liegen nicht drin. Die Begleitperson muss das akzeptieren und sich meinem Leistungsniveau anpassen können. 

Wie bist du zur Läuferin geworden und wie hat dich das Trailrunning zu faszinieren begonnen?
Alles war recht zufällig und vor sechs Jahren. Der Freund schlug mir das Laufen vor. Ich konnte mir dies anfänglich nicht vorstellen. Und die ersten Wochen waren sehr hart. Ich hatte mir das einfacher vorgestellt.

Gabs ein Aha-Erlebnis?
Ich begann nach dem Schlüssel zu suchen und ich fand ihn, bildlich. Ich habe akzeptiert, dass es nicht einfach aufwärts geht. Aber die Ärzte bestätigen mir: Sport tut mir gut. Ich habe beim Ausüben keinerlei spezielle gesundheitlichen Risiken.

Was ist das grösste Hindernis?
Ich möchte mehr Unabhängigkeit und suche deshalb nach weiteren Guides. Diese Personen können männlich oder weiblich sein. Im Triathlon habe ich verschiedene Möglichkeiten gefunden. Im Trailrunning erweist sich der Weg als schwieriger.

Wieso?
Ich wohne in Fleurier im Neuenburger Jura. Das ist nicht ganz zentral. Und die Aufgabe scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Aber ich sage: Keine falschen Hemmungen, ausprobieren, ob und wie das funktioniert. Und ganz wichtig scheint mir. Ein möglicher Guide wie auch ich müssen offen sein, kommunizieren. Uns fragen, ob’s passt.

Gibt es keine professionelle Unterstützung?
Schon, ich habe mich an die entsprechenden Stellen gewandt. Aber in der Romandie ist es offenbar schwierig, leider. Das Ganze kostet mich viel Energie.

Welchen Wunsch hast du?
Ich wünsche mir, dass sich eine offene, „gwundrige“ Person meldet, die eine neue Erfahrung sucht.

Das Gespräch mit Sandrine Chauvy führte Jörg Greb.

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