Zoe Ranzoni (Photo: athle.ch, Guillaume Laurent)
Zoe Ranzoni (Photo: athle.ch, Guillaume Laurent)

„Das Laufen ist ein dauernder Prozess“

Zoe Ranzoni (20) ist eines der drei Gesichter vom Nachwuchs-Fünfliber. Die hoffnungsvolle Tessiner Mittelstreckenläuferin verbindet Medizinstudium und Leistungssport – und sieht sich so gefordert. Im Interview erzählt sie, was Laufen für sie bedeutet. 

Zoe, in den beiden vergangenen Wintern hast du mit deinen U20-Tessiner-Rekorden über 800 m und 1000 m geglänzt, Was haben diese Erfolge ausgelöst?
Stolz, schliesslich ist Rekord Rekord. Mein Name steht nun in den Listen. Aber man muss auch relativieren: Meine Rekorde sind Hallenrekorde. Nicht jede und jeder versuchts in der Halle. Ein Freiluftrekord, das wäre noch schöner.

Was ist für dich das Reizvolle an den Mittelstrecken?
Mittelstreckenrennen sind anspruchsvoll. Das ist kein Sprint, bei dem es heisst: Vollgas los. Du brauchst einen starken Kopf. Du musst taktisch gut einteilen, solltest dich kennen, dich deiner Limiten bewusst sein. Mit dem vielen Laufen lernst du dich kennen. Das Laufen ist ein dauernder Prozess. Das bringt viel fürs Leben: organisiert sein, nie aufgeben.

Und das bisher Schönste als Läuferin?
Das war mein Silbermedaillengewinn 2018 an der SM der U18 über 1500 m – jener Erfolg kam für mich unerwartet. Da merkte ich, vielleicht kann aus diesem Hobby etwas werden.

Zuletzt konntest du dich aber nicht mehr wunschgemäss profilieren. Was war der Grund?
Ich war verletzt, hatte einen Ermüdungsbruch des Mittelfusses. Dadurch verpasste ich letztes Jahr die Sommervorbereitung. Ich konnte den Rückstand nicht mehr aufholen. Aber immerhin: Ich konnte noch einige Wettkämpfe bestreiten.

Was hast du gelernt aus dieser Zeit?
Auch bei mir gibt es Limiten. Ich sagte mir: Zoe, du musst besser auf deinen Körper achten.

Heisst?
Nicht etwas durchstieren um jeden Preis. Auch mal stoppen, wenn ich zu müde bin. Die Verletzung war frustrierend, aber auch wichtig. Wenn’s immer nur aufwärts geht, weisst du die Erfolge nicht mehr genügend zu schätzen. Jetzt machen sie mich viel glücklicher.  

Wegen deinem Medizinstudium lebst du seit September während der Woche in Bern. Wie bringst du das anspruchsvolle Studium und den Sport unter einen Hut?
Keine leichte Aufgabe. Das Training aber brauche ich, gerade nach den vielen Stunden im Hörsaal. Gehe ich laufen an der frischen Luft, fühle ich mich rasch besser. Ich kann anschliessend besser lernen, mir den Stoff merken.

Mit wem bist du unterwegs?
Ich habe mich in Bern noch keinem Verein, keiner Laufgruppe angeschlossen. Das hat auch Vorteile: Ich bin flexibel. Meist laufe ich sechs Mal die Woche, manchmal aber auch nur vier Mal. Mein Stundenplan ist nicht fix. Nach ihm richte ich mich. Grösstenteils bin ich für mich allein unterwegs. Auch das hat Vorteile. Ich kann auf meinen Körper achten. Schwieriger ist’s auf der Bahn, wenn ich bestimmte Zeiten laufen sollte.

Wie löst du dieses Dilemma?
Die wichtigen Bahntrainings mache ich am Wochenende in Bellinzona mit meinen Vereinskolleginnen und -kollegen von der GAB Bellinzona. Da kann ich viel strengere Serien laufen als alleine.

Wie variierst du, wenn du alleine unterwegs bist?
Ich mag die Abwechslung auf der Bahn, mit Dauerläufen, Krafttraining, beim Fitness an der Uni.

Hast du Vorbilder?
Ich schaue wenig auf die Anderen. Was bringt es mir, wenn ich die Ingebrigtsens bewundere: Es ist illusorisch, ihr Niveau zu erreichen. Und generell: Niemand hat meine Geschichte.

Welche Ziele verfolgst du nun?
Der Wechsel vom Tessin nach Bern, das Studium – all das macht Ziele schwierig. Ich hoffe, nachdem es mir zuletzt nicht so gut gelaufen war, wieder zurückzufinden. Gerne würde ich wieder PBs laufen. Mit dem Setzen von strengen Zielen bin ich aber vorsichtig geworden. Wichtig ist mir, weiterhin gut zu trainieren.

Wie bist du eigentlich zur Läuferin geworden?
Ich begann früh. Ich war acht und tat alles: sprinten, springen, werfen. Mein Talent zeigte sich aber früh bei den Mittelstrecken. Das passte. Meine Mutter trainierte diese Trainingsgruppe in Locarno. Über Crossläufe, die Mille Gruyère bin ich immer stärker hineingezogen worden. Mir gefiel das Training, ich war gut. Es ging ständig aufwärts.

Was rasch zum Problem wurde.
Genau. Die Gruppe wurde immer kleiner. Die jüngeren Läuferinnen konnten mit mir nicht mehr mithalten. Die Gleichaltrigen hörten auf, und ich war bald alleine. Das war frustrierend. Aber wir fanden eine gute Lösung: In den Stützpunkttrainings des Tessins lernte ich Enrico Cariboni und seine Gruppe kennen. Ein Jahr lang trainierte ich mit ihnen. Dann wechselte ich zur GAB Bellinzona.

Das Gespräch mit Zoe Ranzoni führte Jörg Greb.

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