Franziska Huwyler-Inauen (Photo: zvg)
Franziska Huwyler-Inauen (Photo: zvg)

„Das Laufen hatte schlicht null Priorität“

Franziska Huwyler-Inauen aus Udligenswil im Kanton Luzern lief viermal als Siegerin des SwissCityMarathon in die Zielarena beim Verkehrshaus ein. Nach der Schwangerschaft wagte sie 2021 den Restart und bereitet sich nun mit dem Babyjogger auf den Zürich Marathon und die Schweizer Marathon Meisterschaft vor. Auf welche Highlights sie sich beim nächsten Marathon-Start freut, erzählt Franziska in der aktuellen Running-Story.

Franziska Huwyler-Inauen, du kehrst am Zürich Marathon als Seriensiegerin am Swiss City Marathon Lucerne und Schweizer Meisterin von 2017 zurück in den Kreis der „ambitionierten“ Marathonläuferinnen. Vor einem Jahr waren solche Gedanken weit weg…
Franziska Huwyler: Sie existierten schlicht nicht mehr. Ich war im Spätsommer 2020 schwanger geworden. Die Ärzte sprachen früh von einer Risikoschwangerschaft. Ich erhielt ein absolutes Bewegungsverbot und musste ab der siebten Schwangerschaftswoche liegen.

Wie gingest du mit dieser Situation um?
Das kann ja nicht sein, sagte ich mir, das geht nicht. Ich, ein Bewegungsmensch, null Aktivität. Unmöglich. Doch verblüffender weise ist der Schalter sehr schnell gekippt. Ich spürte ganz stark: Jetzt ist mein Körper für etwas anderes da. Und ich fühlte mich erstaunlich gut. Mir war klar: Fränzi, jetzt hast du eine andere Aufgabe, als Sport zu treiben. Zuerst musste ich liegen, nach Wochen durfte ich wieder etwas spazieren.

Dieses Bewegungsverbot war aber nur das eine.
Viel einschneidender war das Tempo unserer Tochter, trotz aller Vorsicht. Sie kam in der 25. Woche zur Welt. Jetzt war klar: Unser Kind braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Unser Alltag fand während rund viereinhalb Monaten im Kinderspital statt – verbunden mit Angst, Hoffnung, aber auch einem starken Glauben, dass unser Mädchen diesen intensiven Start ins Leben packen wird.

Nach acht Monaten  ohne Laufen bekamst du das OK zum Wiederbeginn mit deiner grossen Leidenschaft. Was bewirkte dies?
Das war befreiend, eine Wohltat vor allem für den Kopf. Ich begann ganz „süferli“ mit kurzen Joggings rund um das Gelände des Kantonsspitals Luzern. Das schätzte ich enorm: abschalten, den Kopf durchlüften, Energie tanken. Ein wunderbarer Ausgleich. Und: Ich spürte Körperstellen, Muskeln, die ich zuvor kaum wahrgenommen hatte. Ich tastete mich richtig an die Distanzen heran.

Ende Frühling konntet ihr das Spital verlassen und mit der Tochter heimkehren, und gut zwei Monate vor deinem Heim-Marathon in Luzern, den du 2014, 2017, 18 und 19 gewannst und bei dem du 2017 Schweizer Meisterin wurdest, entschlossest du dich zum Start am Swiss City Marathon Lucerne Ende Oktober. Wie kam es dazu?
Das sah ich als Experiment. Es gab Unbekannte: die Laufpause, eine ziemlich kurze Vorbereitung, erster Marathon nach Schwangerschaft und Geburt, andere Prioritäten. Ich ging das Ganze gelassen an. Lief quasi die ganze Strecke mit angezogener Handbremse. Aber ich habe gespürt, es geht (Anmerkung: Rang 4 bei den Frauen, W35-Schweizermeisterin, 3:02:59 Stunden).

Was löste dies aus?
Grosses Glück und zusätzliche Energie. Und schnell  den Wunsch, die Leistungsgrenze wieder zu erkunden. Ich begann mit einem Frühlingsmarathon zu liebäugeln.

Wieso fiel die Wahl auf Zürich?
Ich wollte keine grosse Reise, und Zürich weckt Erinnerungen. Da lief ich 2011 meinen ersten Marathon (in 3:14:21) – etwas naiv, unbeschwert, einfach so. Die 42 km wurden damals lang. Krämpfe plagten mich. Aber dieses Erlebnis sorgte dafür, dass ich dem Marathon treu geblieben bin. Ich lief Zürich noch zwei weitere Male. Nun meldete ich mich schon im Januar an – bei den Volksläuferinnen und nicht bei der Elite….

Wie hat sich dein Training mit dem Kind verändert im Vergleich zur Zeit vor dem Muttersein?
Es ist anders geworden. Früher ging ich Laufen, wenn es mich »juckte». Jetzt hat unsere Tochter Priorität. Grösstenteils gehen wir zusammen: Sie sitzt im Babyjogger, ich stosse. Das so Unterwegssein bereitet uns beiden Spass. Dank dem Verständnis und der Unterstützung meines Mannes, laufe ich am Wochenende jeweils für mich und ohne Wagen.

Hast du das Laufen mit dem Babyjogger liebgewonnen?
Absolut. Wir, unsere Tochter und ich, sind ein gutes Duo. Ich laufe enorm gerne so. Wir sind – mit Pausen – bis zu drei Stunden unterwegs. Ich wähle immer Strecken, die für Überraschungen gut sind und mit Zug und Bus erreichbar. Wobei: Spontanität ist zentral. Die Läufe am Wochenende kann ich besser planen.

Was traust du dir zu am Zürich Marathon?
Ich lasse mich überraschen. Aber ich trage auch eine riesige Überzeugung und Sicherheit in mir, dass es gut kommt. Ich wünsche mir, dass ich wie in Luzern ohne Krise über die Distanz komme – nur in etwas höherem Tempo.

Deine persönliche Bestmarke steht bei 2:51:07 Stunden. Ein Massstab?
Das glaube ich weniger. Diese Zeit wird ganz schwierig. Früher bin ich mehr gelaufen. Aber ich bin gespannt. Zum Beispiel bin ich überzeugt: Das Laufen mit dem Babyjogger bringt Vorteile. Ich spüre Kraft und Zug, wenn ich ohne Wagen unterwegs bin. Dann läuft es einfach – auch wenn es sich ohne Tochter und Wagen wie blutt anfühlt.

Worauf freust du dich besonders während des Marathons?
Wenn ich die Tochter, meinen Mann, Eltern, Schwester, Brüder, die Schwägerin  an verschiedenen Punkten der Strecke erblicke. Das erlebte ich schon in Luzern im letzten Herbst: Das werden unglaubliche Motivationskicks.

Das Gespräch mit Franziska Huwyler-Inauen führte Jörg Greb.

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