Louis Low-Beer (Photo: athle.ch, Guillaume Laurent)
Louis Low-Beer (Photo: athle.ch, Guillaume Laurent)

«Mein Name ist für mich Programm»

Louis Low-Beer ist eines der drei Gesichter vom Nachwuchs-Fünfliber. Der noch nicht 18-jährige Genfer zählt zu den Hoffnungsträgern bei den Schweizer Mittelstreckenläufern. Er spricht von Lehren aus der zu Ende gehenden Saison, von Zielen und wie sein Läufer-/Schülerleben aussieht.

Louis Low-Beer, du hast die Bahnsaison mit der Silbermedaille über 800 m bei den U20 abgeschlossen. Deine Bilanz?
Grundsätzlich lief’s in diesem Sommer nicht schlecht. Aber klar, ich wäre gerne etwas schneller gelaufen als die 1:49,87 Minuten von Anfang Juni. Und ich hätte zum Abschluss den SM-Titel bei den U20 gewinnen wollen. Ich versuchte alles und spielte mein taktisches Repertoire aus. Aber Ramon (Wipfli) war stärker. Im Frühling war’s noch umgekehrt gewesen. Trotzdem kann ich sagen: 2022 ist ein gutes und vor allem lehrreiches Jahr gewesen.

Wegen oder trotz der U20-WM in Cali?
Für mich war diese WM in Kolumbien eine unglaubliche Erfahrung. Verbunden mit einer unerklärlichen Leistung von mir. Ich war hervorragend vorbereitet. Einen Monat lang trainierte ich vorher in der Höhe im Engadin. Mein Vorlauf verlief anfänglich vielversprechend. Ich war gut positioniert. Doch auf der Zielgerade brach ich komplett ein. Ich brachte kein Bein mehr vors andere. Ich konnte nichts dagegen tun und fühlte mich völlig ausgeliefert und machtlos. Das Ziel erreichte ich spazierend – nach 2:49,40 Minuten. Das war sehr, sehr bitter. Etwas Vergleichbares hatte ich noch nie erlebt.

Erstmals auf dich aufmerksam gemacht hattest du bereits im Winter 2021 als du die Schweizer Allzeit-Hallen-Bestleistung von Tom Elmer bei den U18 brachst. Was löste das aus?
Das war für mich eine wichtige und wegweisende Erfahrung. Die Halle mag ich. Da ist die Renntaktik noch entscheidender. Und jene Leistung, die 1:53,03 Minuten, bestätigten mir die Kontinuität. Sie gaben Vertrauen ins gute Training.

Wann und wie bist du zur Leichtathletik gekommen?
Den Ausschlag gaben bei mir die Escalade und der Genève Marathon. Da beteiligte ich mich an den Kinderrennen. Ich war immer gut platziert. Aber eigentlich spielte ich Fussball. So mit 10, 11 entschied ich mich zum Wechseln. Und meine Eltern brachten mich zum besten Klub der Stadt, zu Stade Genève.

Und du bist breit gefördert worden.
Richtig. Ich machte schnell Fortschritte, überall. Ich beteiligte mich am UBS Kids Cup, am Visana Sprint und an den Mille Gruyère. Überall schaffte ich es ins Schweizer Finale. Aber bei den Mille Gruyère war ich am besten. Drei Mal siegte ich. Daraus entwickelte sich die  Liebe zu den 800 m.

Wie erlebst du diese?
Ich mag das Tempo, verbunden mit dem Taktischen und den Direktduell Mann gegen Mann. Zu den 800 m gehört das Stossen und das Aggressive. Über 400 m hast du das nicht, da bist du in deiner Bahn. Und über 1500 m ist’s viel entspannter. Über 800 m aber geht es so schnell. Da musst du immer präsent sein. Es verträgt keine Fehler.

Einer, der dies bis zur Perfektion ausübte war André Bucher. Was sagt dir der Name des Weltmeisters von 2001?
Er ist der Champion, der Grösste. Seine Erfolge, sein Werdegang sind Inspiration – auch wenn seine Topleistungen schon über 20 Jahre zurückliegen und ich davon 1:1 nichts mitbekam. Bucher hat gezeigt: Auch ein Schweizer kann über 800 m viel erreichen. Sein Schweizer Rekord, die 1:42,55 Minuten, ist gigantisch. Und spannend ist für mich: Mit 18 lief er die 800 m in 1:48,32 mit 21 aber schon in 1:45,33 und damit schon ganz nahe an den damaligen Schweizer Rekord. Ich möchte André Bucher nacheifern und strebe ähnliche Zeiten an.

Und längerfristig?
Längerfristig möchte ich das Laufen zum Beruf machen – und das auf einem hohen, ganz hohen Niveau. Podiumsplätze sollen es werden.

Was braucht es dafür?
Sicher sehr hartes und kontinuierliches Training. Die Devise lautet: arbeiten, arbeiten, aber arbeiten mit Kopf. Wir müssen die Balance finden, immer wieder neu. Dafür braucht es Entscheide im richtigen Augenblick. Und es gilt, das Leben um den Sport zu organisieren. Das grosse Geheimnis ist, ob’s funktionieren wird. Ob der Körper mitspielt und ich ohne Verletzungen bleibe. 

Wie sieht dein Trainingsalltag bei Stade Genève unter Trainer Marco Jäger aus?
Ich wechselte vor drei Jahren zu Marco. Ich schätze seinen Einsatz und seine Kompetenz. Aber er betreut viele Athleten und kann bei mir nicht immer dabei sein. Marco schreibt meinen Trainingsplan. Mittwoch und Samstag laufe ich bei ihm zusammen mit 20 bis 30 anderen Athletinnen und Athleten. Diese Trainings leben von einer Superambiance. Ein bis drei weitere Trainings mache ich in der Gruppe. Regelmässig bin ich aber auch alleine unterwegs.

Wie kombinierst du das mit dem Gymnasium?
Ich besuche die Sportklasse am zweisprachigen Gymnasium (Englisch/Französisch) und kann mir so für das letzte Jahr vor der Matura zwei Jahre Zeit lassen. So bringe ich die bis zu 22 Stunden für den Sport und die Schule unter einen Hut. 

Hast du Vorbilder?
Ein Idol, nein, das habe ich nicht. Ich will meinen eigenen Weg gehen. Aber ich bewundere Athleten. André Bucher gehört sicher dazu, dann David Rudisha, der Weltrekordhalter über 800 m oder die Laufgrössen Eliud Kipchoge oder Mo Farah.

Und abschliessend noch die Frage nach deinem Namen: Low-Beer tönt nicht eben alltäglich…..
Das ist richtig. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Grossbritannien und Frankreich. Noch weiter zurück, im zweiten Weltkrieg, führen meine Wurzeln nach Tschechien. Und für mich könnte der Name nicht passender sein: Low: Löwe, Beer: Bär, also eine Kombination von naturgegebener Stärke, imposantem Auftreten und einem intelligenten eigenwilligen, freiheitsliebenden Wesen. Und Louis ist gekoppelt an berühmt-sein. Mein Name ist für mich Programm.

Das Gespräch mit Louis Low-Beer führte Jörg Greb

Erzähl uns deine Running-Story
Möchtest du unserer Community etwas über deine favorisierten Trainingsstrecken oder Lieblingsläufe erzählen? Oder hast du ein emotionales Lauferlebnis, welches dich bis heute begleitet?
Wir freuen uns auf dein Feedback per Mail an info@swiss-running.ch!