Valentina Rosamilia (Photo: athle.ch, Guillaume Laurent)

«Ich bin überzeugt, von meiner breiten Basis zu profitieren»

Valentina Rosamilia ist eines der drei Gesichter vom Nachwuchs-Fünfliber. Die 20-jährige Aargauerin ist Teil des erfolgreichen Mitteldistanz-Teams der Schweiz. Im Interview spricht sie über ihre eindrückliche sportliche Vergangenheit, ihr Leben in einer polysportiven Familie und verrät, welches ihre zukünftigen Ambitionen sind.

Valentina Rosamilia, Du bist U20-WM-Zweite und -EM-Dritte über 800 m. Nächstens erfolgt der Start in die Freiluftsaison 2023. Mit welchen Gefühlen blickst du dem Sommer entgegen?
Ich bin zuversichtlich und ich freue mich sehr. Ich blicke auf eine gute Vorbereitung zurück. Der Beweis: Im März qualifizierte ich mich für mein internationales Elite-Debüt an der Hallen-EM über 800 m. Es war ein Winter der Kontinuität.

Ein toller Winter?
Ja, er war geprägt von idealen Trainingslagern, starken Einzeleinheiten – und vom Trainierwechsel.

Trainierwechsel?
Ja, von Georg Schärer im BTV Aarau zu Nationaltrainer Louis Heyer. Ich mochte die Zusammenarbeit mit meinem vorherigen Trainer, Georg Schärer, sehr und bin stolz darauf, was wir zusammen erreicht haben. Jetzt freue ich mich auf einen neuen Abschnitt in meiner Karriere und einen neuen Trainingsinput.

Inwiefern?
Ich erlebe es als motivierend öfter in der Gruppe zu Laufen. Schon im November trainierte ich in Südafrika. Louis unterstützte Georg damals bereits. Und in der Folge passte alles. Der Einstieg in die Halle glückte mit zwei erfolgreichen Rennen in Frankreich optimal. Darauf konnte ich aufbauen. Ich gewann viel Selbstvertrauen zurück.

Selbstvertrauen ist das Stichwort. Der letzte Sommer glückte nicht nach Wunsch und warf einige Fragen auf. Was denkst du im Rückblick?
Die Saison 2022 war schwierig. Ich hätte schneller laufen wollen (2:04,64 Minuten über 800 m gegenüber 2:01,79 im 2021) Mehrere Faktoren verhinderten dies: Umstellungen im Training, Investitionen in die Technik – das braucht bekanntlich Zeit zur Adaption.

Das tönt schwammig.
Konkretes sagen und einen einzigen Punkt herausstreichen, kann ich nicht. Was ich aber betonen möchte: Der letzte Sommer war lehrreich. Schlussendlich haben die Rückschläge dazu geführt, dass ich neue Motivation habe aufbauen können, neuen Schwung fand.

Welche Schlüsse hast du neben dem Trainerwechsel gezogen?
Ich will wieder stärker auf mein Training vertrauen. Dieses Training hat sich zuletzt stark verändert. Bis Ende 2020 setzte ich gleichzeitig auf den Triathlon. Erstmals begann ich nun laufspezifisch zu trainieren. Das war eine Umstellung. Vorher diktierte der Triathlon die Abläufe.

2021 lief es vorzüglich.
Ja, absolut (Valentina Rosamilia gewann U20-WM-Silber und -EM-Bronze über 800 m). Aber 2022 ging’s nicht im selben Stil weiter.

Du spieltest schon mit 16 in der Eishockeynationalmannschaft, bestrittest Triathlons auf höchstem Level und bis nun Leichtathletin. Was gab den Ausschlag?
Um weiterzukommen, brauchte es Entscheidungen. Mit dem Eishockey hörte ich zuerst. Als immer schwieriger erwies sich auch der Triathlon. Ich startete für ein Team in Rom. Das war grossartig: tolle Kollegen, internationale Wettkämpfe. Aber es war auch sehr, sehr viel, neben der Kanti und der Leichtathletik. Schliesslich reizte mich die Leichtathletik am stärksten.

Wie kommt dir die polysportive Vergangenheit zugute?
Sehr, glaube ich: Ich bin viel offener: generell und gegenüber dem Trainieren in einer Gruppe. Ich bin es gewohnt, mit Sportlern aus verschiedenen Nationen zu arbeiten, mich in verschiedenen Sprachen zu unterhalten. Und sportlich bin ich grosse Umfänge gewohnt. Im Triathlon trainierte ich 19 bis 20 Stunden die Woche. Jetzt bin ich überzeugt, von meiner breiten Basis zu profitieren. Auch vom Eishockey. Die Schnellkraft, die ich damals als rechte Flügelspielerin brauchte, habe ich mitgenommen.

Trainierst du weiterhin polysportiv?
Leider immer weniger. Schwimmen und Velo fahren schätzte ich sehr. Jetzt aber hat das Lauftraining Vorrang. Und mit dem Matura-Abschluss im Juni bleibt wenig Spielraum.

Du schliesst die Sportkantii ab. Wie geht es danach weiter?
Zuerst heisst es: Die Matura bestehen. Nach dem Schulabschluss will ich mich auf den Sport konzentrieren. Die U23-EM in Espoo (Fi) Mitte Juli bilden den Höhepunkt. Im Herbst beginne ich die Spitzensport-RS. Noch offen sind meine Studienpläne, eventuell Wirtschaft, eventuell online.

Du bist auf die 800 m ausgerichtet, die in der Schweiz aktuell sehr dicht besetzte Disziplin. Deine Einschätzung?
Ich sehe das als Chance und als Reiz. Wir, Lore Hoffmann, Audrey Werro, Delia Sclabas, Rachel Pellaud und ich, kommen zu Direktvergleichen in der Schweiz. Wir pushen uns. Das motiviert gegenseitig. Und mit Lore haben wir eine routinierte Frau. Bei ihr können wir Jungen abschauen.

Wohin soll dein Weg als Leichtathletin führen?
Irgendwann Olympische Spiele, möglichst viele Grossanlässe, Spass haben, Erfahrungen sammeln. Und: Die 2-Minuten-Grenze über 800 m knacken.

Welche Rolle spielt in deinem Leben deine Familie?
Die ist sehr wichtig. Ich konnte immer meinem Weg folgen und das tun, was mich faszinierte. Mittlerweile schätze ich die Gespräche mit den Geschwistern immer mehr – jetzt, da alle älter werden. Das Zuhause ist ein Save Place.

Spannend dürfte vor allem die Diskussionen mit Bruder Adriano sein…
Ja, er spielt beim HC Lugano Eishockey. Sein Weg ist sehr faszinierend, und wenn immer möglich, gehe ich seine Spiele schauen. Ich bewundere ihn, wie er seinen nicht einfachen Weg geht und seinem Traum folgt.

Und deine Schwestern?
Nina ist 18 setzte auch aufs Eishockey. Mittlerweile aber hörte sie und arbeitet als Trainerin. Und Tiziana ist erst 15. Von ihr wird noch zu hören sein. Sie ist als Triathletin und Leichtathletin sehr talentiert und ehrgeizig.

Das Gespräch mit Valentina Rosamilia führte Jörg Greb

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