Fabienne Vonlanthen (Photo: Alpha Foto GmbH)
Fabienne Vonlanthen (Photo: Alpha Foto GmbH)

«Durch die Arbeitszeitreduktion fallen Trainings im Halbdelirium weg»

Die Schaffhauserin Langstreckenläuferin Fabienne Vonlanthen, 30, ist Polizei-Europa- und Weltmeisterin im Halbmarathon. Beim Berlin Marathon von diesem Sonntag traut sie sich eine Top-Zeit zu. Wie sie trainiert hat und was sie ausmacht, hat sie im Gespräch verraten. 

Fabienne Vonlanthen, du läufst am Sonntag den Berlin Marathon. Deine Ambition? 
Berlin ist erst mein zweiter Marathon. Vor knapp einem Jahr versuchte ich es erstmals. Und ich lief an der Polizei-EM in Eindhoven (Ho) mit 2:41:30 Stunden zum Titel. Diese Zeit will ich nun verbessern. Ich habe das Gefühl, es sei ein rechter Sprung möglich.

Mit Berlin verbindest du gute Erinnerungen. Letzten Frühling realisiertest du deine Halbmarathon-PB von 1:16:05 
Genau. Und da erlebte ich, dass Laufen in Berlin nicht vergleichbar ist mit hier. In Berlin ist die halbe Stadt am Anfeuern. Da spielen Bands auf. Es gibt keinen Meter, auf dem du ohne Publikumsunterstützung läufst. Das alles beflügelt. Und darin sehe ich auch einen Vorteil im Vergleich mit Eindhoven. Dort war der Support zwar schön, aber eher wie bei uns.  

Was hast du mitgenommen von deinem Marathon-Debüt? 
Marathon ist wirklich etwas Anderes, eine neue Dimension. Der Kopf spielt auf den 42,195 km eine ganz andere Rolle als etwa im Halbmarathon.  

Wie hast du das umgesetzt? 
Ich machte mir zu Nutze, dass alle 5 km Verpflegungsmöglichkeiten folgen. So fokussierte ich von Verpflegungsposten zu Verpflegungsposten. Von 10 zu 15, 15 zu 20 km und so weiter. So gelang es mir, den Kopf auszutricksen. Die 5-km-Abschnitte waren überblickbar. 

Dir glückte beim Debüt eine Top-Zeit (Nr. 4 der Schweiz im 2022). Das dürfte Ambitionen in Richtung internationaler Titelkämpfe wecken. 
Ich müsste lügen, wenn ich widersprechen würde. Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, vielleicht Olympische Spiele – das klingt reizvoll. Aber ich will mir nicht viel Druck auferlegen. Vielmehr plane ich Schritt für Schritt. 

Dein Erfolgsgeheimnis? 
Ich bin eine Newcomerin und renne noch nicht so lange. Ich begann erst mit 25. Darum bin ich überzeugt: Ich bin noch nicht ausgereizt und habe meine Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Und die Regel sagt ja: Im Marathon kommt ab 30 deine beste Zeit.  

Es ist also schnell aufwärts gegangen bei dir. Bereits 2021 holtest du den Meistertitel im Halbmarathon. Du bist aktuelle Polizei-Europa- und -Weltmeisterin. Was sind deine nächsten Ziele? 
Jetzt zählt nur der Berlin Marathon. Da will ich schauen, was ich kann. Berlin ist die erste grosse Challenge. Vielleicht geht es schon richtig schnell. Vielleicht brauche ich einige Jahre dazu.  

Wie verlief die Vorbereitung? 
Sehr gut. ich zog jedes Training nach Plan durch – auch von den Zeitvorgaben her. Einige wichtige Einheiten lief ich schneller als geplant. Und ich blieb von Verletzungen verschont, musste nie pausieren.  

Schreibst du deine Pläne selber? 
Nein. Die kommen aus der Hand von Raphael Brandenberger, meinem Freund und Trainer. 

Wie muss man sich diese Trainer/Freund – Athletin/Freundin-Beziehung vorstellen? 
Im Training gibt er vor. Raphael ist aber nie abgeneigt für Inputs meinerseits. Und zu denen kommt er von alleine. Durch unsere Nähe sind Anpassungen sehr schnell möglich. Ich sehe das als riesigen Vorteil. Wir leben dieses Konstrukt schon seit Jahren. Es hat sich entwickelt. Wir sind damit gewachsen und haben wertvolle Erfahrungen gemacht. Mein Laufen ist eines unserer zentralen Projekte.  

Du bist aber nicht nur Läuferin, sondern auch Strassenpolizistin. Beisst sich das nicht mit den bis zu 25 Trainingswochenstunden? 
Vollzeit Polizei, das ginge nicht mehr. Auf Anfang 2022 reduzierte ich mein Pensum und vor einem Jahr tat ich dies nochmals. Ich arbeite jetzt noch 40 Prozent. Das heisst: zwei Wochentage und ohne Nachtdienste. Das war 2021 noch nicht so. Da schob ich in der Woche vor dem Halbmarathon-Titel noch zwei Nachtdienste. Mit der Zeit würde das anhängen.  

Geht das finanziell auf? 
Dank einiger lokaler Sponsoren, ja. Ich habe nicht leistungsabhängige Verträge. Aber ich muss mehr kalkulieren als mit dem Vollzeitjob. Mir ist aber wichtig, dass ich nicht vom Freund oder jemand anderem abhängig bin. Das wäre nicht mehr ich.  

Vorauf führst du deine Entwicklung hauptsächlich zurück? 
Durch die Reduktion der Arbeitszeit komme ich zu einem normalen Schlafrhythmus. So fallen Trainings im Halbdelirum weg. Und meine Leistungskurve zeigt noch natürlich nach oben. 

Wir wünschen Fabienne viel Erfolg in Berlin!

Das Gespräch mit Fabienne Vonlanthen führte Jörg Greb.

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