Emma Pooley ist ein Phänomen. Als Sportlerin profiliert(e) sich die Frau aus Hausen am Albis auf höchster Ebene – und zwar auf dem Strassenvelo, im Duathlon und Triathlon sowie als Trail- und Bergläuferin. Jüngst macht sich die Doppelbürgerin aber auch auf ganz anderer Ebene einen Namen.
Emma Pooley, es gibt Gerüchte über einen Everesting. Worum geht es?
Everesting ist eine faszinierende Bewegung mit Tradition im Velosport. 8848 Höhemeter (also die Höhe vom Berg Chomolungma) bewältigen – an einer einzigen Steigung, hoch runter, immer wieder. Mit dem Velo, dem Bike, mit Ski, zu Fuss. Ich habe mir überlegt, diese Herausforderung zu Fuss anzugehen.
Du hast bereits Erfahrung mit Everesting…
Schon, aber mit dem Velo. Ich bewältigte die 8848 Höhenmeter von Schwyz auf die Haggenegg. Die 8:53-Stunden von 2020 bedeuteten damals Weltrekord. Das war viel härter als gedacht. Beim zehnten und letzten Aufstieg dachte ich: Puh, ich schaffs nicht. Aber so muss Everesting sein: eine Challenge. Es geht nicht darum, schnell zu sein. Jede Person, die das hinkriegt, egal wie schnell, hat einen Everesting gemacht. Das finde ich cool und inspirierend. Und dann ich hab’s nochmals gemacht, mit dem Gravelbike auf einer wunderschönen Steigung in Muotathal.
Nun zu deinem Fusslauf-Everesting. Was reizt dich besonders an dieser 48-Stundenprüfung?
Die persönliche Challenge. Ich mag solche Herausforderungen. Und eine schöne, lange, meditative Zeit in den Bergen. Ich war Velorennfahrerin und gehörte (damals) zu den Besten. aber im Herzen bin ich immer Läuferin gewesen. Laufen ist seit der Kindheit meine Leidenschaft – und je bergiger, desto besser.
Wann geht’s also los?
Das weiss ich leider noch nicht. Ich bin nicht so gut in Form. Im letzten Jahr konnte ich nicht so viel trainieren, wie ich es hätte tun wollen. Der Grund: eine Stressfraktur am Fuss, später ein Bänderriss am Knie – neun Monate Frust. Aber immerhin: Jetzt geht es wieder aufwärts. Kommt hinzu, dass ich mich neben meinem Job als Geotechnik-Ingenieurin auch meinem Buch widme.
Deinem Buch?
Ja, es ist diesen April erschienen. Für mich ein Herzensprojekt. Ich habe enorm Freude daran. Aber es kostete und kostet viel Zeit und Energie. Ich organisiere alles selber, im Selbstverlag. Natürlich mit viel Hilfe, vor allem von meinen Kolleginnen bei Vertical Coffee, die das Buch in ihrem Webshop anbieten. Ohne sie wüsste ich nicht, wie ich das schaffen würde! Aber es gibt noch genug zu tun. Viele Termine stehen an, das Medieninteresse ist gross. Das ist cool. Aber mir fehlt Zeit, explizit fürs Training und die Erholung.
Was verbirgt sich hinter dem Titel des Buches «Oat To Joy»?
Der Titel ist ein Wortspiel. Auf Englisch tönt Oat To Joy wie Beethovens «Ode to Joy» (Ode zur Freude) . Auf Deutsch passte der Titel aber weniger zum Musikstück – die direkte Übersetzung wäre «Hafer zur Freude». Es ist ein Koch- oder besser gesagt ein Backbuch. Ich stelle Haferleckereine vor, die sich bestens eignen zum Selbermachen und Mitnehmen: aufs Velo, zum Wandern, Laufen, ins Büro, in die Schule… Diese Rezepte sind einfach und schnell zu machen und zudem gesund, mit einfachen Zutaten. Alle sind mit Hafer gemacht, natürlich.
Du hast sie selber entwickelt und getestet?
Genau. Ich beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren mit gesunder, feiner Sportlernahrung. Ich stemmte mich immer gegen Riegel und Gels. Lieber echtes Essen ist meine Devise. Meine Hafer-Snacks haben mich schon weit gebracht. Und sie sind einfach und fein. Ich wollte die Rezepte mit anderen Leuten teilen – vor allem mit sportlichen Leuten. Weil ich glaube, viele Athleten würden gern etwas feineres beim Sport essen als diese chemische Sportprodukte.
Kommen wir zu deiner Karriere als Sportlerin. Was ragt aus deiner persönlichen Sicht heraus?
Es ist schwierig, einzelne Rennen oder Resultate herauszupicken, weil ich so viele schöne Momente erleben durfte. Logischerweise sollte ich die Weltmeistertitel nennen, einmal im Zeitfahren und viermal im Duathlon. Oder bei drei Olympischen Spielen teilnehmen zu können und sogar eine Silbermedaille mit Tränen in den Augen erhalten. Das tönt alles wunderschön, und ich bin dafür sehr dankbar. Aber Sport ist für mich mehr als Resultate: Sport ist meine Leidenschaft. Und deshalb auch wunderschön: Mit 39 durfte ich meine Wahlheimat, die Schweiz, an der Trail-Running-WM vertreten. Das war definitiv ein Höhepunkt in meinem Leben. Hätte jemand einst die 15-jährige Emma gefragt, was sie im Sport erreichen möchte, hätte sie genau das genannt: Berglauf und Trail Running.
«Sport ist für mich mehr als Resultate. Sport ist meine Leidenschaft»
Wie siehst du den Menschen Emma Pooley?
Ich will etwas Positives beitragen zur Gesellschaft, zur Welt. Ich versuche dies als Geotechnik-Ingenieurin im Bereich Naturgefahren und Umwelt, und ich versuche auch meine Stimme für die Themen Umwelt- Nachhaltigkeit sowie für Menschenrechte einzusetzen. Neben dem Sport ist mir die Kreativität sehr wichtig. Mit meinem Buch konnte ich diese ausleben. Ich habe ein grosses Ziel erreicht.
Emma, du bist ein Mensch voller Energie. Kannst du einen Modelltag von dir beschreiben?
(Hält inne) Zurzeit fühle ich mich ziemlich erschöpft und energielos. Es war eine intensive Zeit und mir fehlen Momente in den Bergen. Aber Sport hält mich munter. Ich stehe zwischen 5 und 6 Uhr auf und gehe – wenn es zeitlich passt – als erstes fürs Lauftraining raus: Hügelintervalle oder flache Intervalle oder ein Longrun den Albisgrat entlang, oder einfach eine Runde im Wald. Es ist so wunderschön im Wald.
Und danach?
Trinke ich Kaffee, und fahre ins Geschäft. Für die 20 km von Hausen am Albis nach Zürich-Wipkingen, über den Albispass, benutze ich das Velo. Ich habe ein altes, schweres Stahlvelo mit Gepäckträger und Hupe, es ist super fürs Pendeln. Ab und zu laufe ich sogar – über den Albisgrat – aber nur, wenn ich meine Brille und die frischen Socken schon im Büro am Tag vorher deponiert habe. Und weisst du was? Dann habe ich den ganzen Tag Hunger – insbesondere nach Haferkeksen.
Was ist von Emma Pooley sportlich in Zukunft noch zu erwarten?
Ich bin jetzt 42, und das Projekt «Oat To Joy» wird mich wohl noch länger beschäftigen. Reizvoll wäre eine weitere Qualifikation für das Schweizer Team im Berglauf. Aber das braucht Energie. Denn entweder gehst du ein Projekt richtig an oder besser gar nicht. Die Schweiz hat genug starke Läuferinnen. Sie braucht mich nicht, wenn ich nicht richtig trainieren kann. Momentan sind Job, Buch und Sport schwer unter einen Hut zu kriegen. Wenn nur vier Stunden Schlaf möglich sind, besteht ein Ungleichgewicht. Topleistungen sind so nicht möglich. Aber klar ist: Ich laufe weiter mit voller Freude…
Und?
Die Gesundheit ist ein Privileg. Sport machen zu können ist ein Privileg. Und es ist auch ein Privileg, wenn ich auf meine Werte und Ziele hinarbeiten darf. Nur so kann ich Freude ausstrahlen.
Das Gespräch mit Emma Pooley führte Jörg Greb.
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